Drehpunkt Kultur, 19. 10.2016

„Das Leben ist ein Traum“ gibt das Thema vor zum Liederabend von Ildiko Raimondi und Leopold Hager, dem ersten Saisonkonzert der Kammermusikzyklus „Klangreisen im Solitär“ der Universität Mozarteum am Dienstag (18.10.).

Von Elisabeth Aumiller
Und es ist auch der Titel des Liedes von Joseph Haydn, mit dem die Sängerin und ihr Begleiter das Programm eröffnen. Ildiko Raimondi singt mit traumwandlerischer Sicherheit den fein zusammengestellten Liederreigen, der den Bogen von der Klassik zur Romantik spannt. Die in Wien lebende Sopranistin ungarischer Herkunft ist langjähriges Mitglied der Wiener Staatsoper und seit dem Wintersemester 2015/16 Gesangsprofessorin am Salzburger Mozarteum. Sie ist nicht nur gefeierte Opernsängerin, sondern ebenso versiert als Lied – und Konzertinterpretin.
064Mit ihrer frohgemuten Ausstrahlung gewinnt Raimondi sofort die Sympathien der Zuhörer. Ihre sichtliche Freude am Singen springt über ins Auditorium und macht das Zuhören zur Freude. Sie singt für ihr Publikum und baut mit den Menschen auf eine angenehm verbindliche Art eine lockere Kommunikation auf. Ihr metallisch-heller Sopran ist technisch souverän geführt. Das Lächeln ihrer Augen lässt Raimondi in die Stimme einfließen und gestaltet mit charmanter Koketterie und schelmischem Schalk ebenso wie sie zu melancholisch sinnierender Farbgebung fähig ist. Ihre lebendige Mimik unterstützt den stimmlichen Ausdruck, der sich ganz dem Wortgehalt verpflichtet. Aus jedem Lied macht sie eine kleine anschauliche Szene, eine Miniaturkomödie oder ein Minidrama, ohne dabei ins gekünstelt Theatralische zu verfallen. Für Gesangsstudenten dürfte ihre Darbietung eine beispielgebende Lektion an souveränem Auftreten, technischer Beherrschung und stimmgestalterischer Möglichkeit sein.
In vier Liedern von Joseph Haydn schildert das Auftaktlied das Leben als einen poetischen Traum, dem sich drei reizende Galanterieszenarien anschließen, wobei die Stimme in feiner Farbschattierung „der Vöglein süßes Lied“ mit tiriliert. Eine hübsche Begegnung sind eine Arie und zwei Canzonen des Mozart-Schülers und Requiem-Ergänzers Franz Xaver Süßmayer, wobei sich die Stimme auch zu opernhafter Attitüde aufschwingt. Galant, schmerzerfüllt und melancholisch sind die Gefühlsfarben in vier Liedern von Mozart. Chloes zärtlichem Liebesaustauch folgen das schmerzlich-süße „Lied der Trennung“ des verlassenen Liebhabers, der Luisa nachtrauert, während als Gegenschilderung Luisa in großer Erregung „die Briefe ihres ungetreuen Liebhabers verbrannte“. Fast ätherisch ließ Raimondi die melancholische „Abendempfindung an Laura“ beim Silberglanz des Mondes schillern. Mozarts Liederœvre ist meist aus Gelegenheitsarbeiten für bestimmte aktuelle Anlässe entstanden, ist nichtsdestoweniger reizvoll, vor allem wenn der schlichten Melodik in der Interpretation entsprochen wird, wie es Raimondi überzeugend vorführte.
063Wenzel Johann Tomaschek hat 41 Goethe-Gedichte vertont und sie dem Dichter persönlich vorgespielt. Goethe soll begeistert gewesen sein, während er sich, der Überlieferung gemäß, mit Schuberts zukunftsorientierterer Tonsprache nicht identifizieren konnte. Raimondi brachte mit Wanderers Nachtlied“ und „Der Fischer“ zwei unmittelbare Vergleiche zwischen Tomaschek und Schubert. Drei deutsche Lieder von Franz Xaver Mozart zeigten, dass der Sohn des berühmten Vaters sich bereits mehr in Richtung Romantik bewegte. Bei der abschließenden Schubert-Gruppe brillierte Raimondi mit einem glänzenden „Ganymed“ und dem forsch-fröhlichen „Musensohn“.
Am Abend seiner langen erfolgreichen Dirigentenkarriere ist Leopold Hager, 81 Jahre alt, als aufmerksamer Liedbegleiter weiterhin mit voller Energie der Musik verbunden. Bewundernswert sind seine musikalische Phrasierung und das angepasste Mitgehen mit der Sängerin. Zudem zeigt er sein pianistische Kompetenz mit zwei Solostücken von Süßmayr und Mozart jun.